Über Aiki

Über Aiki


Die Kampfkünste Japans sind ein kulturelles Erbe des Landes und einige sind nach dem zweiten Weltkrieg weltweit bekannt geworden - trotz der populären Verbreitung einiger Kampfkünste bleibt es ein "exotisches" Thema  und für Außenstehende in der Unterscheidung oft schwierig. Allerdings folgen alle Kampfkünste einem gemeinsamen Prinzip, welches ggf.  unterschiedlich zur Anwendung kommt - eben "Aiki".  Im Kapitel "über Aikido" haben wir schon beschrieben, dass Aikido (wie Judo) ein moderner Nachfahre der alten Ju Jutsu - Stile ist. Übersetzt wird es meist mit  "der "Weg der Harmonie" .


Das ist für eine praktische Vorstellung über Aiki natürlich nicht hilfreich - wir betonen im Training den "physikalischen" Ansatz und erklären, mit wem oder was ein Aikidoka "in Harmonie" gelangen möchte (Hint: nicht mit einer mysteriösen Lebensenergie, die im Menschen fließt und "irgendwie" zum Einsatz gebracht wird; wir sind keine Anhänger von "New Age" - Interpretationen, die gar nicht so selten mit Aikido in Verbindung gebracht werden).     


Ueshiba Morihei und Aiki

Aikido ist der Name des Budo, welches Ueshiba Morihei (1883 - 1969) aus dem Daito Ryu Ju Jutsu (bereits eine Mischung aus verschiedenen Kampftechniken  und die Schöpfung eines herausragenden Budokas seiner Zeit (Takeda Sokaku (1859 - 1943)) entwickelt hat . 

Wieviel  Daito Ryu in Aikido (noch) steckt, wollen wir hier nicht bewerten, klar ist aber: Aikido wurde nicht "out of thin air"  entwickelt.

Ueshiba Morihei sprach etwas ab 1942 von Aikido - davor nannte er seine Kunst "Aiki Budo" und vorher "Daito Ryu Aiki Ju Jitsu". Er übernahm den Begriff vom großjapanischen Kampfkunstverband (jene Organisation, die 1946 von den Alliierten verboten wurde), der unter "Aikido" einen Standard für ein "modernes Jiu Jutsu" schaffen wollte (zusätzlich aber in Abgrenzung zum Judo) - die Geschichte beendete diese Entwicklung allerdings mit Japans Kapitulation im WW II vorzeitig. 

Das Wort "Aiki" war im japanischen Sprachgebrauch ebenfalls nicht neu und wurde auch im Kontext Budo verschiedentlich verwendet. Wie fast alles in Japan, sind auch die Kampfkünste von der chinesichen Kultur beeinflusst - Ueshiba (ein sehr spiritueller Mensch) nutzte Begriffe der japanischen und  chinesischen   Mythologie wenn er über "Aiki" sprach.


Wer hat nicht schon von Yin/Yang gehört (jap.: In/Yo) - die beiden Gegensätze, die sich zu einem Ganzen ergänzen, wobei in einem immer auch das andere schon enthalten ist - so ziemlich jedes fernöstlich orientiertes Tun sucht sich hier die passenden Gegensätze heraus und "harmonisiert" sie   - nicht immer scheint eine gemeinsame Sichtweise vorzuliegen.


Der von uns sehr geschätzte und leider schon verstorbenen Aikido-Lehrer Jos Vanroy (Belgien) pflegte zu Beginn seiner Klasse eine vorbereitende Gymnastik mit den Worten "wir stehen zwischen Himmel und Erde"  einzuleiten. Das Naturgesetz der Gravitation besagt in etwa, dass  "alles,  was leichter ist als die Erde, nach unten fällt" . dieses Gesetz wird in der chinesischen Mythologie auch die "Kraft des Himmels" genannt. 


Was herunterfällt und auf eine (feste) Oberfläche aufschlägt, prallt von dort ab und steigt erneut auf - dieser Effekt (Rebound) ist die "Kraft der Erde" - dazwischen: der Mensch als Teil der ihn umgebenden Natur - dieser Dreiklang ist in der chinesischen Philosophie ist als "Himmel, Erde, Mensch" - Konzept bekannt. 


"Ich bin das Universum"


Wie immer sind die Zitate von O Sensei (Aikidoka nennen Ueshiba Morihei respektvoll "großer Lehrer") wenig für praktische Trainingshinweise geeig-net - Zeitzeugen sagen, dass er sich für solche Dinge auch nicht wirklich interessierte. Dass Himmel und Erde (also die zwei simultan auftretenden Kräfte Gravitation und Rebound)  das Universum sein sollen, dem kann man sicher noch  zustimmen - aber der Mensch auch ?


Das Kanji "Ai" in Aikido wird mit in der Regel mit "Harmonie" übersetzt - im Aikido-Kontext bedeutet es, dass der Mensch "eins" mit seiner Umgebung ist (und nicht etwa mit dem Angreifer). Seine Umgebung ist das Universum, welches durch die zwei Kräfte (Ki) Gravitation und Rebound gekennzeichnet ist - das heisst, wenn der Mensch sich im  vollständigem Einklang mit den Naturgesetzen bewegt, nutzt er diese zu 100%  - er "ist" das Universum.

Natürliche Bewegung 


Oft hört man, Aikido zeichne sich durch "natürliche" Bewegung aus - aber was soll das heißen ? Welche Bewegung ist denn unnatürlich ? Ist nicht alles was der Mensch ohne Hilfsmittel hinbekommt "natürlich" ?   

So ist es - würden wir uns zum nächsten Einkauf mal spontan in die Luft erheben und über die Straße fliegen - das wäre unnatürlich. Also reden wir genauer von "effizienter" Bewegung - und sind damit im Zentrum jeder Bewegungsübung gelangt. 


Egal, ob ich ein Nagel in die Wand schlagen,  beim Golf ein weiten Abschlag schaffen, oder beim Klavierspielen eine flüssige Tastenfolge spielen will - ist die Muskulatur zu verspannt, wird das Ergebnis schlecht - die Übung besteht darin, von der Verspannung in die Entspannung  zu gelangen, um so das Ergebnis zu verbessern.   


In allen Kampfkünsten geht es darum, die eigene (limitierte) Muskelkraft durch die beiden gegensätzlichen Kräfte Gravitation / Rebound zu ersetzen, was umso besser gelingt, je entspannter die Muskulatur ist.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Karateka einen Fauststoß wirkungsvoll auf den Solar Plexus des Angreifers platziert, der Judoka mit einer großen Sichelbewegung die  Beine seine Gegners wegschlägt oder der Aikidoka den Oberarm seines Partners sperrt, um nicht von seinem Messer getroffen zu werden usw...mit anderen Worten: das hinter eine Bewegung liegende Prinzip ist immer das gleiche - es wird lediglich verscheiden effizient und in verschiedener Anwendung zum Einsatz gebracht - im Aikido dann im Schwerpunkt bei Würfen und Hebeln im Kontext eines "klassichen Ju Jutsu" (siehe Kapitel "was ist Aikido")

 

Budo - ein Kreis

Hier enden nun die Erläuterung zu "Aiki" - wie die beiden Kräfte in der Bewegung effizient genutzt werden, ist Teil des Trainings und kann nicht "theoretisch" gelernt werden - einen Weg zur Entspannung zu finden, halten wir  für eine der wichtigsten Aufgaben, die der moderne Mensch heutzutage für sich lösen muss - der Faktor Stress  ist schließlich einer  der "Hauptkiller" unserer Zeit.

Zum Schluss noch etwas zum Kreis - er hat kein Anfang und kein Ende und wenn er sich dreht, entstehen zwei gegensätzliche Kräfte gleichzeitig - das ist der Grund, warum  Aikido große, kreisförmige  Bewegungen um einen stabilen Mittelpunkt lehrt. 


Sie sind vielleicht nicht ideal in eine Kampfsituation unterzubringen - es ist aber der beste Weg, um "Aiki" zu verstehen.  




 

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